von Straßsteinen, zumal auf dem Kiez in St. Pauli, wo sich ein Großteil seines Lebens abspielte.
Er hat diese alte Jacke Hans gegeben, der jede Samstagnacht mit Prostituierten und Zuhältern spricht und der auch auf Rockys Weg einen »Meilenstein« darstellt. Hans trägt sie als milieugerechte »Gesprächseinstiegshilfe« für Menschen in der berüchtigten Herbertstraße und in den umliegenden Discos des Hamburger Amüsierviertels.
Rockys dazugehörige Kampfstiefel sind Hans zu groß. Er geht deshalb - erstmals in besagter Jacke - in ein entsprechendes Schuhgeschäft, um sich das passende Schuhzeug zu besorgen und so - frei nach Paulus - dem St. Paulianer ein St. Paulianer zu werden.
Er steht noch in der Eingangstür, mit dem Blick auf Rokkys Konterfei, das wie in vielen solchen Läden auch hier an der Wand hängt, als eine der Verkäuferinnen staunend feststellt: »Das ist doch Rockys Jacke!«
»Was ist denn mit ihm los?« fragt ein Kunde.
»ROCKY IST TOT«, entgegnet Hans.
Erschüttert reagieren Verkäuferinnen und Kunden: »Das haben wir schon lange befürchtet ... Er war einer der Besten von uns . . . Er war immer bei uns - und nun ist er tot!« In diese teilweise sentimental aufgetragene Trauerstimmung fällt Hans ein: »Aber Gerhard lebt - ist auferstanden!«
Alle, die um ihn herumstehen, schauen ihn an wie einen, der geradewegs vom Mond kommt oder aus dem Irrenhaus - betrunken konnte er nicht sein.
Daß dieser Mann in Rockys Jacke recht hat, erleben sie, als einige Wochen später Gerhard Bauer wieder über die Reeperbahn stolziert . . .
1. Die Weichen sind gestellt Wie bei Preußens
Es ist richtig: Gerhard Bauer heißt er eigentlich. Am 26.11.1926 wird er als einziges Kind einer traditionsreichen Potsdamer Soldatenfamilie geboren. Beim gradlinig-nüchternen Vater - er ist höherer Beamter beim Statistischen Reichsamt - gelten nur Träger von Uniformen etwas. Für ihn beginnt der Mensch beim Offizier. Er ist stets korrekt, preußisch, verschlossen, ein Mensch ohne jede Regung: Die Blumen für die Mutter müssen in den Aktenkoffer passen, denn wer einen Blumenstrauß in die Hand nimmt, der zeigt zwangsläufig Gefühle. Der Vater zeigt keine.
Gerhard leidet unter dem Vater. Er selbst ist eher sensibel. Er will lustig und traurig sein dürfen, will Gefühle zeigen - enttäuscht kanzelt der Vater das Söhnchen ab: »Aus dir wird sowieso kein Soldat« - was aus dem Mund des Vaters soviel bedeutet wie: Aus dir wird nie ein richtiger Mensch.
Um wenigstens ein bißchen Liebe zu ergattern, übernimmt Gerhard den Ordnungsfanatismus des Vaters: Das Zimmer ist immer tadellos aufgeräumt. Bald müssen auch die eigenen Bleistifte in Reih und Glied stehen. »Ich hab immer auf den Moment gewartet, wo Mutter die Rosinen in Reih und Glied in den Kuchen backen mußte.« Aber darauf wartete er vergebens.
Die Folgen dieser Erziehung sind unverkennbar. Selbst heute noch haftet ihm etwas »Preußisches« an. Obwohl er schwer krank ist, spaziert er im Paradeschritt durch Hamburg-Altona und St. Pauli. Auf Höflichkeitsformen achtet